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man bedenkt, dass Fake News und „alternative Fakten“ gegenwärtig
schwer en vogue sind. Am Ende des Beitrages steht ein mahnender Die Qadesch-Schlacht Ramses‘ II. –
Appell und Blick in die Gegenwart. Kunst im Dienst der Geschichtsklitterung
Mario Becker Obwohl unverhältnismäßig mehr Tinte über Ramses II. und die
07.10. 1-mal Do. 19:00-21:15 3 UE 1011002 12,00 € Qadesch-Schlacht aufs Papier als tatsächlich vor Ort vergossenes
Blut geflossen ist, soll im Rahmen unserer Fragestellung auf dieses
Gelnhausen, Bildungshaus Main-Kinzig, Frankfurter Str. 30 Thema eingegangen werden. Der Begriff Qadesch-Schlacht steht
synonym für die militärische Niederlage der Ägypter gegen die
Hethiter unter Muwatalli bei Qadesch, dem heutigen Tell Nebi Mend
am Orontes, im 5. Regierungsjahr Ramses II. (1274 v. Chr.). Aus dem
Die Waldlandschaft Spessart – diskursiven Ereignis Qadesch-Schlacht entsteht in der Folgezeit ein
Fremdbild und Wirklichkeit Spezialdiskurs, an dessen gestalterischer Ausformung über zwanzig
Jahre gearbeitet wird: Auf den Wänden von zehn Tempeln werden
Die Berliner Ausstellung „Rhön und Spessart im Aufbau“ (1934) war in deren zugänglichen Bereichen monumentale Bildkompositionen
beispielhaft für nationalsozialistische Propaganda in Bezug auf unse- des Schlachtverlaufs in allen Einzelheiten angebracht; über zwanzig
re Region. Aufhänger war die damals herrschende Armut dort. Doch Textträger überliefern ihre literarische Fassung – zum einen eposartig
führte bereits seit 1854 eine der europäischen Hauptbahnlinien durch im „Gedicht“, zum anderen in Form eines Berichtes. Dies stellt nicht
das Waldgebirge und hier wie auch entlang des Verkehrsweges Main nur hinsichtlich der Verbreitung etwas Neues dar. Gänzlich ohne Vor-
und im Norden an der Straße Frankfurt – Leipzig ließen sich Unter- bild ist, dass ein chaotischer Zustand, das Versagen des ägyptischen
nehmer und Industrielle nieder. Mit der Industrialisierung entstand Militärs, Eingang in die Öffentlichkeit findet. Wir untersuchen diesen
ein romantisches Bild vom Spessart, das auch nach dem Zweiten Sonderweg und legen die Mittel der Bildpropaganda dar und fragen
Weltkrieg vielfach Verwendung fand – in der Werbung wie in der Poli- nach den Motiven. Zeigen doch sonst die Bilder stets den Prototypen
tik. Der Vortrag umreißt, wie das Bild vom Spessart für eigene Zwecke des „siegreichen Pharaos“.
genutzt wurde und wird.
Christine Raedler
Dr. Gerrit Himmelsbach
18.11. 1-mal Do. 19:00-21:15 3 UE 1011006 12,00 €
28.10. 1-mal Do. 19:00-21:15 3 UE 1011003 12,00 € Gelnhausen, Bildungshaus Main-Kinzig, Frankfurter Str. 30
Gelnhausen, Bildungshaus Main-Kinzig, Frankfurter Str. 30
Kunst und Kombinat.
Zwischen Kitsch und Kunst – Vaterlandsverklärung, Vom Sozialistischen Realismus im Online
Heldenverehrung und Trauerarbeit für Kriegsopfer mit realen Sozialismus
Denkmälern und auf Gemälden Zentraler Bezugspunkt der Debatten um die Kulturpolitik der DDR
Das an den deutschen Sieg über Frankreich 1870/71 erinnernde Nie- war seit ihrer Gründung die Kunst der Moderne. Viele der deutschen
derwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein und Pablo Picassos be- (linken) Künstler, die nach 1945 gebraucht wurden, um die Ämter der
rühmtes Gemälde „Guernica“ zur Erinnerung an den Luftangriff 1937 neuen kulturellen Institutionen zu besetzen, hielten trotz der gefor-
auf diese baskische Stadt im spanischen Bürgerkrieg bezeichnen die derten Parteidisziplin aus künstlerischer Überzeugung an den Tradi-
Bandbreite des künstlerischen Umgangs mit Krieg, Sieg und Opfern. tionen der Moderne fest. Der Sozialistische Realismus stalinistischer
Nicht selten geraten künstlerisch gestaltete Denkmäler und Gemälde, Prägung bedeutete für sie die stilistische Fortsetzung der Staatskunst
wenn sie sich mit diesem Themenkreis befassen, zu Kitsch. Das mag des Nationalsozialismus und deshalb einen unannehmbaren künst-
damit zusammenhängen, dass der gewaltsame Tod von Menschen, lerischen Rückschritt. Dagegen initiierten sowjetische Kulturoffiziere
die als Soldat*innen oder Zivilist*innen im Krieg oder Bürgerkrieg der Militärverwaltung und Parteifunktionäre der SED vor dem Hinter-
ums Leben kommen, emotional aufwühlt. Aber auch z. B. damit, dass grund des beginnenden Kalten Krieges den Kampf gegen den „For-
die – staatlichen – Auftraggeber solcher Werke den Zuschauer*innen malismus“ in der Kunst und für die Etablierung des Sozialistischen
vermitteln wollen, die Kriegstoten seien nicht umsonst gestorben. Realismus, der die Hinwendung zu Volksverbundenheit, Fortschritts-
Denn wenn es so wäre, würde gegen diejenigen, die den Krieg zu ver- gläubigkeit und parteilicher Wirklichkeitsnähe verlangte. Der Vortrag
antworten haben, protestiert – und würden potenzielle Soldat*innen führt an Beispielen durch die Kunst- und Kulturpolitik der DDR und
zumindest versuchen, den Kriegsdienst zu verweigern. zeigt, wie sich über die Jahrzehnte die Aufspaltung der DDR-Kultur in
eine repräsentative Staatskultur und eine alternative Kultur künstle-
Prof. Dr. Berthold Meyer rischer Selbstbestimmung vollzieht.
04.11. 1-mal Do. 19:00-21:15 3 UE 1011004 12,00 €
Gelnhausen, Bildungshaus Main-Kinzig, Frankfurter Str. 30 Uta Grundmann
25.11. 1-mal Do. 19:00-21:15 3 UE 1011007d 12,00 €
Online
Wahlplakate der neuen rechten Parteien Online
in Europa
Die Analyse von Wahlplakaten, die den Blick auf bildliche Darstellung Kunst als Kritik.
und Textelemente verbindet, kann uns über Einstellungen und Gesell- Wie Theater Propaganda entschlüsseln kann
schaftsbilder neuer rechter Parteien viel verraten. Während Slogans Seitdem es Kunst gibt, wird sie auch von Herrschern instrumenta-
oft zwar plakativ sind, aber noch gemäßigte Haltungen suggerieren, lisiert, um Macht zu behalten oder sogar zu stärken. Aber auch das
aktivieren Bilder oft extremere Positionen. Das Zusammenspiel beider
Spezial Medien und der breitere Kontext, in den diese eingebettet sind, stehen Gegenteil ist der Fall: Künstler haben auch schon seit Jahrtausen- Spezial
den ihre künstlerische Arbeit genutzt, um Ideologien, Herrscher
daher im Fokus und werden an verschiedenen Beispielen von Wahl-
kampagnen europäischer rechter Parteien interpretativ nachverfolgt. und Konflikte (explizit oder implizit) zu kritisieren. In diesem Beitrag
schauen wir, wie Kunst heutzutage direkt und indirekt Stellung gegen
Macht einnimmt und wie Kunst uns in der Gegenwart helfen kann,
Dr. Katja Freistein Bilderpolitik, Propaganda und Ideologien zu enttarnen. Dabei legen
11.11. 1-mal Do. 19:00-21:15 3 UE 1011005d 12,00 € wir den Fokus auf zwei Theaterstücke des libanesischen Darstellers,
Online Dramatikers und Künstlers Rabih Mroué. Gewappnet mit Konzepten